Barbara Röser hat auf der Seminarleitendentagung 2024 zum Abschied das Wichtigste zu 30 Jahren Ausbildung in Integrativer Paartherapie und Paarsynthese im Odenwald-Institut zusammengefasst:
Paarsynthese seit 1994 im Odenwald-Institut
Nach 30 Jahren Ausbildung in Integrativer Paartherapie und Paarsynthese im Odenwald-Institut kamen im Juni 2024 Michael Cöllen und Ulla Holm-Cöllen aus Hamburg zum Abschied als Seminarleitende auf die Tromm.
Langjährige Wegbegleiter
1994 führte der Diplompsychologe und Paartherapeut Michael Cöllen erstmals im Odenwald-Institut in die von ihm entwickelte Paarsynthese ein. 1995 startete die erste Ausbildung und ab 1998 leiteten Michael Cöllen und Ulla Holm die Ausbildung in Integrativer Paartherapie und Paarsynthese mit den vier Bausteinen „Partnerwerdung, Liebe im Lebensplan, Sexualität und Konfliktverletzung“ gemeinsam.
Bereits vier Tagungen zur Paarsynthese hatten das Odenwald-Institut und die von Michael Cöllen gegründete Gesellschaft für Integrative Paartherapie und Paarsynthese (GIPP) e. V. gemeinsam durchgeführt als beide 2016 zum Symposion „Paradies im Alltag – die Zukunft der Liebe“ nach Darmstadt eingeladen haben – einer herausragenden Veranstaltung mit hervorragenden Referent*innen und Workshops. Schon bei den Tagungen waren die heutigen Weiterbildungsleitenden der GIPP e.V., Barbara Röser und Udo Röser, in die Tagungskonzeption eingebunden. 2022 beim zweiten gemeinsamen Symposion „Im Zentrum der Liebe – zwischen Sehnsucht und Verunsicherung“ übernahmen dann Barbara Röser und Udo Röser für die GIPP die Planung, während Michael Cöllen und Ulla Holm-Cöllen den Eröffnungsvortrag hielten und einen Workshop leiteten.
Paarsynthese – wesentlicher Beitrag zum Gelingen von Paarbeziehungen
2024 wurden nun Michael Cöllen und Ulla Holm-Cöllen nach 30 Jahren Pionierarbeit für Paare im Odenwald-Institut als Seminarleitende verabschiedet. Institutsleiter Peter Jakobs betonte: „Die Paarsynthese hat viel zur methodenbasierten Identität des Odenwald-Instituts beigetragen. Sie bietet ein wunderbarbares Angebot für Paare, sich mit ihren Anliegen an eine Partnerschaft zu beschäftigen und gleichzeitig die Möglichkeit einer fundierten Ausbildung zu Paartherapeut*innen. Damit leistet Ihr einen erheblichen Beitrag für das Gelingen von Paarbeziehungen in unserer Gesellschaft.“
„Wir, im Odenwald-Institut wünschen Euch, Michael und Ulla, noch viele glückliche Jahre und sind dankbar, dass Ihr mit Barbara und Udo in der Verantwortung sowie Ulrike Anders und Léo Mersch die Paarsynthese so gut bei uns etabliert habt, so dass die Übergabe schon seit Jahren gelungen ist – sogar die Einführung trägt noch immer den Titel „Mut zur Liebe.“
Mit herzlichen Grüßen und guten Wünschen
aus dem Odenwald-Institut
Nach der Würdigung von Peter Jakobs gibt Barbara Röser zur Verabschiedung von Michael Cöllen und Ulla Holm-Cöllen als Seminarleitende einen Einblick:
Ulla berichtet von ihrem 36-jährigen Weg, den sie mit Michael und der Paarsynthese gegangen ist – zuerst als Teilnehmerin und dann als Seminarleitende zusammen mit Michael. Sie sei von Anfang an von diesem Verfahren überzeugt gewesen. Sowohl durch die klare Struktur der paartherapeutischen Arbeit als auch durch die der Paarsynthese innewohnenden Logik einer Psychologie der Liebe. Liebe im Austausch von Körper, Geist und Seele zu leben und zu lehren, das habe sie tief ergriffen. So sei im Laufe der Jahre das Lebenswerk von Michael, sein Kind, zu ihrem Adoptivkind geworden. „Du hast dafür gebrannt – und mich auch entzündet, zunächst tatsächlich für die gemeinsame Arbeit, dann aber auch für Dich – so entstand meine Liebe zu Dir – sie ist bis heute lebendig.“
Michael dankt und würdigt Ulla mit liebenden Worten. Sie habe mit ihrer großen, spirituellen Kraft und ihren philosophischen Kenntnissen ganz wesentlich zur Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung der Paarsynthese beigetragen. Über alle Theorie hinaus aber sei für ihn persönlich ihr Einfluss auf ihn von entscheidender Bedeutung.
Michael schlug einen Bogen weit zurück, um deutlich zu machen, in welchen historischen Zeitbezügen und mit welchen Schwerpunkten die Paarsynthese entstanden ist. In den 1980er Jahren war er als Leiter einer neu gegründeten katholischen Ehe-Beratungsstelle in Hamburg tätig. Ab diesem Zeitpunkt stellte er die Beschäftigung mit der Liebe in den Mittelpunkt seines Tuns. Er begann sie zu ergründen, zu erforschen und seine Ergebnisse bald in Büchern zu veröffentlichen. Offen über Liebe und Sexualität zu sprechen, war in einem katholischen Kontext nicht einfach. Das rief viel Widerstand hervor und habe letztendlich dazu geführt, dass er diese Stelle verloren habe und mit einem Bann für Lehrtätigkeiten an katholischen Institutionen belegt wurde. Für ihn sei vollkommen klar gewesen, dass Selbstbefriedigung, Homosexualität und Ehe ohne Trauschein moralisch nicht verwerflich seien. Ein liebender Geschlechtsakt mit lustvollem Orgasmus sei für ihn einem Gottesdienst vergleichbar. Dies vor allem deshalb, weil sich in der Sexualität nicht nur zwei Körper vereinigen, sondern dies immer auch eine seelische Vereinigung bedeute: „Sich körperlich zu vereinigen, heißt auch die Seele des Anderen zu berühren, die in jeder Körperzelle wohnt.“
In der Intimität der Liebe zeigen wir uns nackt und bloß und kommen deshalb auch mit unseren tiefsten Verwundungen und Kränkungen aus der jeweiligen Biografie in Berührung.
So seien drei Aspekte in der Arbeit der Paarsynthese zentral:
1. die tiefenpsychologische Aufarbeitung erlebter seelischer Verletzungen und Kränkungen aus der jeweiligen Liebesgeschichte der PartnerInnen,
2. die Dialogvertiefung durch Lösen von Blockierungen, die im Laufe der Lebensgeschichte als angst- oder schamabwehrende Barriere gegenüber dem Partner, der Partnerin gewachsen seien. Streit entstehe häufig durch den blockierten Dialog des Paares. Die Paarsynthese biete eine Fülle an Übungen für Paare, die den Austausch mit Körper, Geist und Seele des Paares anregen und fördern. Beispielhaft zeigen Michael und Ulla die Übung „Porträtzeichnen“, in der mit nur einem Finger ganz zart und behutsam die Linien im Gesicht des Anderen nachgezeichnet werden – so auch die „Lach- oder Sorgen-Falten, die durch mich in Dir entstanden sind.“ Diese zweckfreie Berührung erreiche die Paare in der Tiefe ihrer Seele. Oft würden Tränen fließen und eine neue Verbundenheit sei spürbar.
3. Die Frage nach dem Sinn unserer Liebe. „Warum hat das Leben Dich mir geschenkt? Welche Entwicklungsaufgabe stellt sich dadurch für mich und unsere Partnerschaft?“ Solche und ähnliche Fragen seien Teil des therapeutischen Entwicklungsweges in der Paarsynthese. Diese Fragen nach dem Sinn unserer Liebe berührten auch eine spirituelle Dimension. Mit Hilfe der Übung: „Was würde ich tun, wenn ich wüsste, dass Du in einem halben Jahr sterben würdest?“, sei das sofort nachvollziehbar.
Ein weiteres Grundprinzip der Paarsynthese sei, dass Mann und Frau zusammen in Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit die Quelle jeder Schöpfung und Weiterentwicklung seien. Sie erst bilden ein wesentliches Ganzes. Nicht das Prinzip von „Entweder-Oder“, sondern von „Sowohl-als-Auch“ bringe den Frieden für die Liebenden und die Menschen in die Welt. „Folgerung: Nicht einer hat recht, sondern beide haben recht. In dieser intimen Geborgenheit mit dem Partner können Beide wachsen“. Die Resonanz im Du erzeuge gerade auch im Alltag streitbarer Auseinandersetzung die besondere Kraft, die menschliche Reifung brauche. „Meine wie deine Schwächen wandeln sich von zerstörerischer, irrender Liebe durch Lernen voneinander zum Entwicklungsanstoß. Im Akt des Verzeihens als wahrer Reifeprüfung der Liebe finden wir dann zur menschlichen Würde zurück. Das verschüttete Liebesbegehren erfährt so die notwendige Transformation, um im Dialog neue Wege für eine „Zeitenwende“ und den „Wiederaufbau der Liebe zu finden“, so Michael Cöllen.
Damit beschreibt er den Leitspruch der Paarsynthese: Liebe ist der Sinn, Dialog der Weg, Würde das Prinzip.
Deshalb spricht die Paarsynthese vom Lernmodell Liebe im Mikrokosmos als auch im Makrokosmos – dies bedeutet, Politik ohne Liebe kann nicht gedeihen. So sei die Arbeit an der Liebe immer auch politische Arbeit, die in Kriegszeiten, in Zeiten rasanter Digitalisierung und immer schnellerer Zeittaktung dringender gebraucht würde denn je.
gez. Barbara Röser, Juli 2024