Beitrag von Sandra Brodtmann und Alexander Janka
Systemdynamiken erkennen, erleben und neu ordnen
Prozessorientierte systemische Aufstellungsarbeit:
Welche Rolle kann diese im beratenden und therapeutischen Spektrum einnehmen?
Was bedeutet prozessorientierte systemische Aufstellung in Coaching, Therapie und Organisationsentwicklung?
Die prozessorientierte systemische Aufstellung ist ein fundamentaler systemischer Ansatz, der Menschen nicht isoliert betrachtet, sondern in ihren lebendigen Systemen. Sie macht verborgene Dynamiken sichtbar, lässt Lösungen im Prozess entstehen und ermöglicht tiefgreifende, nachhaltige Veränderungen. Wie beim Blick auf ein Puzzle wird nicht jedes Teil isoliert bewegt, sondern das Gesamtbild neu geordnet, so dass Harmonie, Klarheit und systemische Integration entstehen – aus dem System selbst heraus, nicht durch Vorgabe.
Klassische Verfahren setzen primär am Individuum an – an Gedanken, Gefühlen oder Verhaltensmustern. Die prozessorientierte systemische Aufstellung geht einen anderen Weg: Sie betrachtet Menschen im Kontext der Beziehungs- und Systemstrukturen, in die sie eingebunden sind, und ermöglicht die direkte Erfahrung der zugrundeliegenden Dynamiken.
In der systemischen Praxis hat sich gezeigt, dass Probleme selten isoliert entstehen. Sie sind Ausdruck einer systemischen Ordnung – ein Konzept, das auf den Grundlagen der klassischen Familienaufstellung und systemtheoretischen Ansätzen basiert: Zugehörigkeit, Hierarchie und Ausgleich sind zentrale Prinzipien, die in allen lebendigen Systemen wirken.
Ganzheitliche Perspektive: Vom Symptom zur Systemdynamik
Während personenorientierte Therapien und Coachingmethoden Symptome fokussieren, fragt die prozessorientierte Aufstellung: Wie stehen die Teile des Systems zueinander? Analog zu einem Puzzle kann ein einzelnes Symptom verstanden werden wie ein Puzzleteil, das nur in Verbindung mit anderen Teilen Sinn ergibt.
Die prozessorientierte Systemaufstellung legt den Blick auf die dynamischen Beziehungen zwischen den Elementen eines Systems. Konflikte, Blockaden oder wiederkehrende Muster werden nicht als individuelle Fehlfunktionen interpretiert, sondern als Ausdruck der systemischen Ordnung.
Prozessorientierung: Lösungen entstehen im Moment
Ein zentrales Merkmal ist die Prozessorientierung: Veränderungen werden nicht verordnet, sondern folgen dem sich entfaltenden System. Stellvertreter oder Symbole zeigen Beziehungen und Dynamiken, die sich im Verlauf der Aufstellung verändern. Dies erlaubt, Selbstorganisation und natürliche Ordnungen sichtbar und erfahrbar zu machen.
Aus der Sicht der systemischen Theorie bedeutet das: Therapie wirkt nicht linear, sondern über die Aktivierung systemischer Rückkopplungsschleifen, die die Organisation des Systems anpassen. Durch diese Prozesshaftigkeit entstehen nachhaltige Veränderungen, die weit über die reine Symptomreduktion hinausgehen.
Erleben und Integration
Die prozessorientierte systemische Aufstellung verbindet kognitive, emotionale und körperliche Ebenen. Teilnehme*innen erleben Bewegungen, Resonanzen und emotionale Muster unmittelbar. Erkenntnis und Veränderung geschehen durch Erfahrung, nicht nur durch Verstehen. Studien und Fallbeispiele zeigen, dass diese unmittelbare Wahrnehmung von Systemdynamiken tiefgreifende, nachhaltige Veränderungen unterstützt – insbesondere bei familiären Konflikten, wiederkehrenden Beziehungsmustern oder organisationalen Herausforderungen.
Effizienz durch Ursachenorientierung
Da die Methode direkt an der systemischen Ursache von Problemen ansetzt, sind oft wenige Termine ausreichend, um entscheidende Impulse zu setzen. Diese Effizienz ist kein oberflächlicher Effekt, sondern das Resultat der Fokussierung auf dynamische Kernprozesse: Sobald die zugrundeliegenden Beziehungen geklärt oder geordnet sind, ordnen sich Symptome und Spannungen häufig von selbst.
Ergänzende Rolle im beratenden und therapeutischen Spektrum
Die prozessorientierte systemische Aufstellung ersetzt keine klassischen Therapie- oder Coachingverfahren. Vielmehr ergänzt sie diese durch die Öffnung eines zusätzlichen Wahrnehmungsraums, der es ermöglicht, unsichtbare Muster und Systemdynamiken zu erkennen. In Psychotherapie, Coaching und Organisationsentwicklung liefert sie wertvolle Impulse für die weitere Arbeit und die Integration langfristiger Lösungen.
Prozessorientierte Systemaufstellungen leiten lernen:
Unsere zweijährige berufsbegleitende Weiterbildung richtet sich an Menschen, die Impulse für ihre persönliche und berufliche Weiterentwicklung in einer kontinuierlichen, festen Gruppe erfahren möchten. Je nach beruflicher Situation können Teilnehmende die Aufstellungsarbeit in ihren professionellen Alltag integrieren und sich auf Wunsch zusätzlich als anerkannte Systemaufstellende bei der DGfS zertifizieren lassen.
Sie eignet sich für Menschen, die …
- Aufstellungen in therapeutischen, sozialen, pädagogischen und beratenden Kontexten anwenden möchten.
- Aufstellungen in organisationalen Systemen wie Institutionen, Unternehmen, Teams, Vereinen oder Schulen einsetzen wollen.
- die Arbeit mit Aufstellungen sowohl in Gruppen als auch im Einzelsetting nutzen möchten.
- Selbsterfahrung als Teil ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung schätzen.
- Lust auf kontinuierliche Begegnung und gemeinsames Lernen in einer festen Gruppe haben.
- neben der Teilnahmebestätigung des Odenwald-Instituts die Zertifizierung als anerkannte Systemaufstellende (DGfS) anstreben.
- oder die Weiterbildung ausschließlich zur persönlichen Weiterentwicklung besuchen möchten.
Kennzeichnend sind:
- eine therapeutisch-beratende Grundhaltung: Im Mittelpunkt steht eine achtsame Haltung der
interessierten, wohlwollenden und nicht-urteilenden Zugewandtheit. Diese Haltung bildet die Grundlage sowohl für die Selbsterfahrung als auch für die Leitung von Aufstellungen. - Selbsterfahrung: Prozessorientierte Systemaufstellungen eröffnen zugleich einen tief wirkenden Erfahrungsweg und eine vielseitige methodische Kompetenz. Die Teilnehmenden lernen, Aufstellungen prozessorientiert zu leiten, und erfahren gleichzeitig die reflexiv verändernde Wirkung in der eigenen persönlichen Entwicklung.
Gut zu wissen für Interessierte:
Personen, die in Baden-Württemberg wohnen oder arbeiten, können nach bestimmten Kriterien eine finanzielle Förderung für diese Weiterbildung aus dem ESF-Förderprogramm Fachkurse erhalten.
> Infos zu Fördermöglichkeiten
Autor*innen: Sandra Brodtmann und Alexander Janka
Oktober 2025





